Zur Sichtbarkeit Veränderlicher am Firmament
Einige Hinweise zum Umgang mit Veränderlichen
 
Werner Braune
 
Worum geht es ?
 
Jeder mit dem Sternhimmel des abendlichen Anblicks schon etwas Vertraute weiß, dass ihn das sogenannte Sommerdreieck aus den Sternen Wega, Deneb und Atair, das zu dieser Jahreszeit wunderbar hoch steht, fast bis zum Winterbeginn am Abendhimmel begleitet: Juli 22 Uhr zu Dezember 18 Uhr. Umgekehrt verschwinden die lichtstarken Konstellationen der Wintersternbilder Orion und Sirius, die prachtvoll den Abendhimmel zieren, bereits im Frühling: Januar 22 Uhr zu April 21 Uhr.

Neben der Höhe am Firmament spielt hierbei die Tageslänge eine große Rolle (siehe Abbildung 1 mit den Dämmerungsgrenzen). Der Sommerhimmel bleibt länger in den nun früher einsetzenden Abendstunden erhalten, weil sich die Taghelligkeit verkürzt und die Dunkelheit früher hereinbricht. Zum Frühling hin ist der Effekt umgekehrt: „Sonne frisst Sterne auf“. Es wird immer schneller hell. Die echten Sternbilder des Frühjahrs wie z.B. der Löwe sind von diesem Effekt besonders betroffen. Wer kennt sie? Der Beobachter bekommt sie kaum zu sehen.
 
Damit lebt jeder Astronom, auch der Amateur, speziell ein Beobachter Veränderlicher muss damit umgehen können. Beschrieben war allerdings ein etwas statisches Bild, nämlich das eines Beobachters, der abends mit der Beobachtung beginnt bzw. erst ab 21 Uhr in dem Himmel schaut. Das gilt als Normalfall und es gibt hier grundsätzlich genug Veränderliche zu beobachten. Der Beobachter muss nur aufpassen, dass ein ins Auge gefasster Veränderlicher nicht zu schnell am Horizont verschwindet.
 
Dämmerungsgrenzen in ihrer zeitlichen Entwicklung
Abb. 1: Dämmerungsgrenzen in ihrer zeitlichen Entwicklung für 50° Breite und 15° östl. Länge.
Linien von außen nach innen: Sonnenuntergang bzw. Sonnenaufgang,
bürgerliche Dämmerung, nautische Dämmerung, astronomische Dämmerung.
 

Beobachtungsfragen zu Veränderlichen erweitern sich gewaltig, wenn Morgensichtbarkeiten mit einbezogen werden. Ob das sein muss, hängt vom Ehrgeiz des Beobachters, aber insbesondere auch vom Beobachtungsobjekt ab, falls ein möglichst kompletter Helligkeitsverlauf über die gesamte Sichtbarkeit des Sterns erzielt werden soll. Den allgemeinen Sichtbarkeitsfragen und der beobachterischen Gestaltung für Veränderliche sind einige, zum Verständnis grundsätzlich notwendigen Darstellungen voran gestellt.

Gegebenheiten auf dem Globus

50° nördliche Breite sind der übliche Ausgangspunkt für die Sichtbarkeitsbetrachtungen. Auf dieser Linie liegt Frankfurt/Main, westlich Paris und London und östlich Kiew und Wolgograd. Weltweit ist es die Grenze zwischen Kanada und den USA. Die USA und auch Japan liegen weit südlicher.

Nebenbei: Unsere MEZ-Zeitzone ist recht breit. Polen gehört dazu und das sehr westlich gelegene Spanien. Die Mitte verläuft etwa an der Westgrenze Deutschlands. Großbritannien hat wie Portugal eine hier passendere Zeitzone mit einer Stunde weniger.

Mithin beginnt die Nacht in Deutschland eher als in MEZ angegeben. Das kann den deutschen Sternfreund freuen. Die instruktive obige Abbildung zeigt den Beginn der Dunkelheit (Dämmerungsgrenzen) in der Veränderung über das Jahr hin. Gerade diese Veränderungen sind sehr wesentlich für die Sichtbarkeit der Sternbilder.

Die tägliche Bewegung am Himmel

Wie die Sonne steigen die Sterne im Osten empor, erreichen im Süden ihren höchsten Stand  und sinken im Westen wieder herab. Gemeint ist dabei allerdings nur die ungefähre Richtung, nicht etwa der genaue Ostpunkt. Vom genauen Aufgangspunkt hängt es aber ab, wie hoch die Sterne im Süden den Gipfelpunkt, ihre Kulmination erreichen. Die Zeichnung für das Beispiel Orion (Abbildung 2) zeigt sehr deutlich, dass die unteren Sterne weniger lange zu sehen sind.
Bewegung des Sternbilds Orion am Himmel
Abbb. 2: Bewegung des Sternbilds Orion am Himmel
 
Für die Veränderung des Anblicks der Sterne am Himmel ist wesentlich, dass sich ihr Aufgang von Tag zu Tag um vier Minuten verfrüht. Das ist unmittelbar nicht bemerkbar, aber innerhalb zweier Wochen beträgt diese Verschiebung rund eine Stunde und ist gut zu erkennen. Insgesamt führt diese Entwicklung dazu, dass über das Jahr hin alle am Beobachtungsort sichtbaren Sternbilder in Erscheinung treten.
 
Sternbilder, die das ganze Jahr zu sehen sind
 
Manche, allseits bekannte Sternbilder wie der große Bär (großer Wagen) sind das ganze Jahr hindurch in unterschiedlichen Stellungen am Himmel zu sehen und gehen nicht unter. So dient z.B. die Verlängerung der äußeren Kastensterne des Himmelswagens dazu, den Polarstern im kleinen Bär (kleiner Wagen) und damit am Horizont den Nordpunkt zu finden.
Die Verlängerung der Erdachse führt zum Himmelspol nahe des Polarsterns. Aufgrund der Drehung der Erde bewegen sich alle Sterne, die immer zu sehen sind, in einem gedachten Kreis mit dem Abstand des Polarsterns zum Nordpunkt. Dieser Bereich ist nur von der geografischen Breite des Beobachtungsortes abhängig. Die hier nicht untergehenden Sterne werden als circumpolar bezeichnet. Das bedeutet aber nicht, dass diese immer gut zu sehen sind.
 
Circumpolare Sterne Anfang Mai
Abb. 3: Circumpolare Sterne (50° Grad Breite Anfang Mai um 22 Uhr MEZ = 23 Uhr MESZ)
 

Die eingefügte Zeichnung (Abbildung 3) zeigt den Himmelsausschnitt unterhalb des Polarsterns abends im Mai. Beachtenswert ist, dass Capella, der helle Stern links circumpolar ist, während Wega, der helle rechte Stern genau gegenüber liegend, unter der Horizontlinie bleibt. Die Verschiebung ist gering. Geht es um die Beobachtbarkeit beider Sternbereiche im Jahresverlauf, ist Wega allerdings viel länger sichtbar als Capella. Das liegt an deren jeweils anderem Stand am dunklen Nachthimmel!

Circumpolar bedeutet auch nicht zwingend „immer gut beobachtbar“. Das beste Beispiel ist hier das Sternbild Cassiopeia, das bekannte „Himmels- W“. Es steht recht horizontnah vor dem Durchgang unter dem Polarstern. Hierfür gilt eine Höhe von 20° Grad über dem Horizont als erforderlich. Das ist wirklich keine gute Position für die Beobachtung der vielen Veränderlichen in diesem Sternbild. Und diese schlechte Lage dauert erkennbar fast ein halbes Jahr.

Hilfen der BAV für den Veränderlichenbeobachter

Für die Beobachtungsdisposition, sei es  auch nur für einen Abend, besonders aber für mehrere Monate, benötigt der Veränderlichenbeobachter ein zeitliches Fenster. Vorentscheidungen sind:
  • Ein zur Beobachtung ausgesuchter Veränderlicher
  • Zeitpunkt und Dauer einer Erscheinung
  • Abschätzung der Sichtbarkeit des Veränderlichen nach diesen Angaben.
Das sind die gleichen Voraussetzungen wie für Mond-, Planeten- oder Planetoidenbeobachtungen. Der wesentliche Unterschied ist:
Veränderliche stehen immer zum Beobachten zur Verfügung!

Zum Aussuchen gibt es das alle Sterntypen Veränderlicher umfassende BAV- Programm gedruckt für BAV-Mitglieder, allgemein zugänglich über die Website der BAV verbunden mit ausführlichen Anleitungen zum Handhaben und zur Beobachtung. Der Beobachter kann als ersten Schritt einen Veränderlichen bestimmen, der hinsichtlich seiner Helligkeit und deren Schwankungen dem vorhandenen Instrumentarium entspricht und nach Art des Lichtwechsels sein Interesse findet. Angaben enthält das BAV Circular Heft 1 je nach Sterntyp u.a. die Helligkeiten, die Periode sowie die übliche Dauer einer Erscheinung.

Die BAV unterstützt zudem mit Jahresvorhersagen (BAV Circular Heft 1 und Heft 2). Die Beobachtungsnotwendigkeiten sind differenziert. Kurzperiodische Bedeckungsveränderliche oder RR-Lyrae-Sterne sind an einem Abend durch fortlaufende Schätzungen/Messungen zielführend zu einem Minimum oder Maximum beobachtbar, Mirasterne dagegen nur über mehrere Monate mit nur einer Schätzung am Abend. Dieser lange Bereich gilt auch für Kataklysmische Veränderliche, deren überraschende Ausbrüche nicht vorhersagbar sind.

Vorhersagen für Bedeckungsveränderliche und RR-Lyrae-Sterne sind nicht nur für den Tag genau angegeben, sondern sie berücksichtigen auch die Sichtbarkeit eines Veränderlichen. Diese ist berechnet für einen mittleren Ort in Deutschland mit 10° östlicher Länge und 50° nördlicher Breite (etwa Würzburg) und der Sternstand liegt 20° Grad über dem Horizont nach Sonnenuntergang bzw. vor Sonnenaufgang. Ob dabei bei Sternen im Westen noch etwas geht, muss der Beobachter entscheiden. Wichtig ist, dass hier bereits Sichtbarkeiten in die Vorhersagen eingearbeitet sind.
Bei den Vorhersagen für Mirasterne ist das zwangsläufig ganz anders. Die Vorhersagen umfassen alle Maxima und Minima des Sterns für ein Jahr. Gut erkennbar ist dabei der Rhythmus der Veränderlichkeit, also ob ein Stern schnell oder langsam seine Helligkeit ändert. Mirasterne mit Perioden um 100 Tage gibt es durchaus. Da muss der Beobachter unbedingt „dranbleiben“, also möglichst an jedem klaren Abend schätzen. Normalerweise liegen die Perioden bei 250 Tagen. Aber wesentliche Partien des Helligkeitsverlaufes sollten nicht fehlen. Selbst wenn nur Maxima für die eigene Beobachtung in Frage kommen, muss der Beobachter bei seiner Planung entscheiden, ob die Sichtbarkeit dafür gegeben ist.

Ein Trost in diesem Beobachtungsbereich ist, dass monatlich die Einzelschätzungen über die BAV zu deren eigener Verwendung auch an die AAVSO American Association of Variable Star Observers als weltweite Sammelstelle geleitet werden. So geht keine Beobachtung verloren und in der Gemeinschaft entstehen daraus noch komplette Lichtkurven.
 
 
Wie der sichtbare Himmel helfen kann
 
Abschließend einige Beispiele aus der Beobachtung. Sie zeigen was bei einigen Veränderlichen tatsächlich möglich ist unter Ausschöpfung der gesamten Sichtbarkeit. Aber es gibt auch Grenzen.
 

R Scuti ist ein RV-Tauri-Stern mit Helligkeitsschwankungen zwischen 4.2–8.6 mag bei einer Periode von 146,5 Tagen. Für die Beobachtung ist er ein Stern für den Feldstecher.

Das kleine Sternbild Schild (Scutum) steht am Schwanz des Adlers. Es ist ein tief stehendes Sternbild selbst im Sommer. Ein erfahrener Beobachter und Liebhaber von R Scuti sagt, dass ihm Schätzungen des gesamten Helligkeitsverlaufes über das Jahr gelingen!

R Scuti-Beobachtungen von Frank Vohla
  Abb. 4: R Scuti-Beobachtungen von Frank Vohla im Zeitraum April 2005 bis März 2006. Das Minimum bei JD 2453795 liegt am 28. Februar 2006.
 

Das ist nicht so erstaunlich wie es klingt. Die langen Winternächte sind der Grund: Im Dezember gelingen beim noch sichtbaren Stern Beobachtungen um 17 Uhr bzw. schon früher. Im Januar morgens um 7 Uhr hat der Stern bereits den guten Stand, den der Abendbeobachter erst im Mai gegen Mitternacht sieht.

Das persönliche Problem eines Beobachters liegt aber weniger im Winter; denn dann lassen sich Beobachtungen noch um die übliche Zeit des Aufstehens vornehmen. Mit zunehmender Himmelshelligkeit am Morgen verschiebt sich diese Möglichkeit leider in die Stunden des üblichen Schlafes.

Fazit: Der ehrgeizige Beobachter kann z.B. auch bei Mirasternen des Sommerhimmels im Winter morgens weiter Beobachtungen für einen notwendigen Helligkeitsverlauf sammeln.

 

β Lyrae ist der Namensgeber einer durch die Lichtkurvenform ständiger Änderung bestimmten Klasse Bedeckungsveränderlicher, dessen Beobachtung grundsätzlich mit dem Auge möglich ist (3,25–4.35 mag).

Während viele Veränderliche dieses Typs innerhalb weniger Stunden in ihrem  Minimum zu beobachten sind, geht dies bei β Lyrae selbst nicht. Seine Periode liegt bei 12,9 Tagen und erfordert eine ganz andere Art der Beobachtung mit Schätzungen an jedem klaren Abend. Die möglichst vielen Schätzungen eines Jahres werden gesammelt und nachträglich rechnerisch zusammengefügt (reduziert). Obwohl β Lyrae das ganze Jahr hindurch beobachtbar ist, sind Beobachtungen am Morgenhimmel nicht unbedingt erforderlich.

Fazit: Bei Veränderlichen, deren Beobachtungen reduziert werden müssen, kann der allgemein günstigste Sichtbarkeitsbereich gewählt werden. Das gilt auch für Cepheiden, deren Perioden zumeist nur dieses Verfahren der Auswertung zulassen.

Beteigeuze (α Orionis) ist ein halbregelmäßiger, sehr heller Veränderlicher (0.0–1.3 mag), der kontinuierlich während seiner Sichtbarkeit beobachtet werden sollte. Diese beginnt bereits ab September morgens um 4 Uhr mit einem Sternstand wie im Dezember um 22 Uhr.

Dieses Wintersternbild schluckt die Tageshelligkeit des Frühjahrs, die den Abend bereits stark verkürzt, im April um 21 Uhr einfach weg. Beobachtungen über das ganze Jahr sind hier nicht möglich.

Fazit: Veränderliche der Wintersternbilder mit Erscheinungen im Winter sollten bereits im Herbst morgens begonnen werden. Umgekehrt ist es nach dem noch gefühlten Winter bereits mit der Sichtbarkeit schnell vorbei.

R Leonis steht als heller Mirastern (4.4–11.3 mag) etwa bei Regulus, dem Hauptstern des Löwen. Das ist eine Lage auf der Ekliptik (Sonnenbahn). Der Sichtbarkeitsrahmen ist  stark begrenzt. Er liegt von Oktober 4 Uhr bis zum Juni 22 Uhr - da wird es gerade dunkel. Bei einer Periode von rund 310 Tagen liegen Maxima der Helligkeit selten gut beobachtbar, zumal der Lichtwechsel sich langsam vollzieht und deshalb einige Monate An- und Abstiegszeit zu berücksichtigen sind.

Fazit: Gerade bei nur kurz sichtbaren Sternen sollten mögliche Erscheinungen beobachtet werden, weil andere Beobachter hier wenig Ehrgeiz haben.
 
 
Quellenverzeichnis der Abbildungen
 
Abbildung 1. Himmelsbeobachtungen mit dem Fernglas, Brandt/Müller/Splittgerber, 2. Auflage, J.A. Barth, Leipzig 1984.
Abbildungen 2. und 3. Welcher Stern ist das?, Widmann/Schütte, Kosmos Naturführer, Frankh'sche Verlagshandlung, Stuttgart 1955.
Abbildung 4. BAV-Lichtkurvendatei, Sct R 53507 VOH.jpg
(Stand: 16. Januar 2011)